Ausgrenzung, Diskriminierung und Ermordung der Gelsenkirchener Sinti und Roma im deutschen Nationalsozialismus
Vortragsveranstaltung der Schalker Faninitiative e.V.
mit Prof. Dr. Stefan Goch
29.Januar 2019 19Uhr
Kulturraum Subversiv – Bochumer Str. 138 / Gelsenkirchen
Anlässlich des Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27.Januar 2019
veranstaltet die Schalker Faninitiative e.V. eine Vortragsveranstaltung zur Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma aus Gelsenkirchen im Nationalsozialismus.
Der Völkermord an Sinti und Roma
Das Romanes-Wort “Porajmos“ (das Verschlingen) bezeichnet den Völkermord an den europäischen Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Wie die Shoa, der Völkermord an jüdischen Menschen, war es ein Versuch der kollektiven Vernichtung.
Auf Grundlage der nationalsozialistischen Rassenideologie wurden Sinti und Roma schrittweise entrechtet, ihrer Lebensgrundlage beraubt und schließlich in die deutschen Vernichtungslager deportiert und dort ermordet.
Nach Schätzungen fielen im nationalsozialistisch besetzten Europa 500.000 Sinti und Roma der NS-Mordpolitik zum Opfer.
Ausgrenzung und Verfolgung – Vorbereitung des systematischen Massenmordes.
Bereits vor 1933 wurden Sinti und Roma an den gesellschaftlichen Rand gedrängt und diskriminiert. Schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik wurden zahlreiche Gesetze, Erlasse und Verordnungen zur – wie es bereits hieß – “Bekämpfung der Zigeunerplage“ eingesetzt.
Daran konnten die Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme reibungslos anknüpfen, indem sie zunächst die bestehenden Gesetze restriktiv anwandten. Die sogenannten Wandergewerbescheine, die für die Ausübung eines Gewerbes notwendig waren, wurden Sinti und Roma verweigert, Sinti- und Roma-Kinder wurden aus öffentlichen Schulen ausgeschlossen. Weiter wurden Sinti und Roma von der Wehrpflicht ausgeschlossen und aus dem Staatsdienst entlassen.
Die nationalsozialistische Politik ging jedoch über die Fortführung und Verschärfung der bisherigen Gesetze weit hinaus.
Die “Nürnberger Gesetze“ von 1935 galten auch für Sinti und Roma. Eheschließungen mit “deutschblütigen Personen“ wurden Sinti und Roma verboten und viele wurden zwangssterilisiert oder als “Asoziale“ verfolgt.
Ab 1935 verschärfte sich die Situation für Sinti und Roma durch die Einrichtung von sogenannten “Zigeunerlagern“ weiter. Auch Sinti und Roma, die in Mietwohnungen lebten, mussten in diese Lager ziehen. Die Lager waren meist mit Stacheldraht umzäunt und wurden von der SA, SS oder Polizeibeamten bewacht.
Im Reichssicherheitshauptamt, der Zentrale des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates, wurde 1938 in Berlin die “Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ geschaffen. In Zusammenarbeit mit der “Rassehygenischen Forschungsstelle“ war es die Aufgabe die im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma zu erfassen und nach rassistischen Kriterien einzustufen.
Durch diese Maßnahmen der Behörden wurde dem systematischen Massenmord bereits der Weg geebnet.
Deportation und Vernichtung von 500.000 Sinti und Roma
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Deportation aller Jüd_innen und auch aller Sinti und Roma aus dem Deutschen Reich in das besetzte Polen geplant. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 trat die nationalsozialistische Rassenpolitik in eine grundlegend neue Phase ein: Nun begannen die systematischen Morde, zunächst in den besetzten Gebieten an Ort und Stelle, dann in eigens dafür errichteten Vernichtungslagern.
Mit dem “Auschwitz-Erlass“ am 16.Dezember 1942 wurde die endgültige Deportation und die kollektive Vernichtung der im deutschen Einflussbereich lebenden Sinti und Roma beschlossen.
Von März 1943 bis Juli 1944 wurden 23.000 Sinti und Roma aus elf Ländern Europas nach Auschwitz verschleppt. Nahezu alle kamen unter den unmenschlichen Bedingungen im Lager um oder wurden in den Gaskammern ermordet.
Am 2. August 1944 wurden die im Lagerabschnitt B II des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau verbliebenen 2.900 Sinti und Roma in den Gaskammern ermordet.
Auch in Gelsenkirchen – Ausgrenzung, Verfolgung, Deportation
Auch in Gelsenkirchen wurden viele Sinti und Roma nach diesem Ablauf erst aus der Stadtgesellschaft ausgegrenzt, dann in sogenannten “Zigeunerlagern“ zusammengepfercht und schlussendlich in die deutschen Vernichtungslager deportiert und dort ermordet.
Gegen das Vergessen!
„Der Völkermord an 500.000 Sinti und Roma hatte seine eigene schreckliche Dimension, seine eigene Bürokratie und Systematik. Das darf auch in Gelsenkirchen nicht vergessen werden.“
Der Sozialwissenschaftler und ehemalige Leiter des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen Prof. Dr. Stefan Goch wird in einem Vortrag die Verfolgung der Gelsenkirchener Sinti und Roma im Nationalsozialismus nachzeichnen.
An Hand von dokumentierten Einzelschicksalen und bestimmter Orte wird Stefan Goch den Leidensweg der Menschen in Gelsenkirchen aufzeigen.
Es soll auch aufgezeigt werden welche zentrale Rolle der örtliche Polizei- und Verwaltungsapparat an den Verbrechen hatte.
Zudem soll verdeutlicht werden, dass Terror und Mord nicht das Werk einiger weniger Unterdrücker_Innen war, sondern an der Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma in Gelsenkirchen viele Gelsenkirchener_Innen und vor allem örtliche Beamte beteiligt waren und dass die Ausgrenzung, Diskriminierung und offensichtliche Verfolgung von Sinti und Roma keinen Protest in der Stadtgesellschaft hervorrief.
Wir wollen an die schockierenden Ereignisse erinnern, die mitten in der Gesellschaft stattfanden.
Wir wollen den Opfern gedenken und dazu beitragen, dass so etwas NIE WIEDER geschieht.
Aber auch wollen wir dem heute immer noch weitverbreiteten Antiziganismus, der rassistischen Diskriminierung von Sinti und Roma, aktiv entgegenwirken und im Umgang mit den Nachfahren der Opfer des “Porajmos“ sensibilisieren.
Ein Veranstaltung der Schalker Faninitiative e.V.
in Kooperation mit dem Freiraumprojekt Subversiv Gelsenkirchen