Hände weg von 50+1

Martin Kind, Präsident von Hannover 96, hat für die am 10. November 2009 anstehende Mitgliederversammlung des Ligaverbands (DFL) form- und fristgerecht einen Antrag auf Satzungsänderung eingebracht, der die ersatzlose Abschaffung der sog. 50+1-Regel zum Ziel hat.

Ginge es nach dem Willen von Martin Kind, könnten sich künftig die an der ersten, zweiten und dritten Liga teilnehmenden Kapitalgesellschaften gänzlich von ihren jeweiligen Muttervereinen trennen und hinfort ausschließlich einer Privatperson oder Privatunternehmen gehören. Auch in der Bundesliga könnten (und würden) sich dann bald „Vereine“ tummeln, die einem russischen Oligarchen, einem amerikanischen Milliardär oder auch irgendeiner private-equity-Gesellschaft, einem Finanzdienstleister, einem Energielieferanten, einem Dosengetränk-Hersteller usw. gehören. Es gäbe, wäre 50+1 erst einmal abgeschafft, keinerlei Handhabe mehr, ein solches Szenario zu verhindern.

Die Geister, die Martin Kind rufen will, würden eine tiefgreifende Zäsur in der weit über einhundertjährigen Geschichte des Fußballs als Leistungssport in Deutschland bewirken: Es wäre die endgültige Abkehr weg vom vereinsgeführten Profifußball hin zum Ligawettkampf privater Wirtschaftsunternehmen.

Martin Kind will also dem Fußball, wie wir ihn seit Jahrzehnten kennen und lieben, den Todesstoß versetzen. Alle Fanorganisationen und Fanszenen sind aufgerufen, hier energisch zu protestieren und ihren Einfluss zum Erhalt der 50+1- Regel zu nutzen.

Vom Ligaverband erwarten wir, dass er nicht von seiner bisherigen Haltung abrücken und für den Fortbestand der 50+1-Regel votieren wird. Für jede andere Entscheidung fehlt ihm eine ausreichende Legitimation: Es kann und darf nicht sein, dass 24 Lizenzinhaber (das wäre die erforderliche 2/3-Mehrheit der Mitglieder des Ligaverbands) durch simple Abstimmung ohne Beteiligung aller Interessengruppen eine derartig folgenreiche Revolution des deutschen Profifußballs beschließen. Dass im Ligaverband die 36 Lizenzinhaber – also in den Fällen, wo bereits eine Ausgliederung stattgefunden hat, die jeweilige Kapitalgesellschaft und nicht etwa der Mutterverein! – zusammengeschlossen sind und nun über 50+1 abstimmen sollen, zeigt die strukturelle Absurdität dieses Vorgangs: Die Töchter sollen darüber abstimmen, wer ihre Mutter sein darf!

Eine Änderung der 50+1-Regel darf nicht ohne formale Beteiligung der Muttervereine erfolgen. Wer sonst sollte legitimiert sein zu beschließen, dass der Profifußball in Deutschland aus den Händen der Vereine gegeben werden soll?

Den Mitgliedern des Ligaverbandes (DFL) sagen wir klar:

  • Die Werthaltigkeit eures „Produkts Bundesliga“ hängt davon ab, dass sich Millionen von Menschen für die Liga und ihre Teilnehmer nicht nur interessieren, sondern begeistern. Setzt nicht leichtfertig die jahrzehntelange, oftmals durch Familientradition überlieferte Bindung aufs Spiel!
  • Wir sind Fans, Anhänger und Mitglieder unseres Vereins; und ja, wir lieben unseren Verein! Wir werden niemals eine auch nur annähernd vergleichbare emotionale Bindung zu einer Kapitalgesellschaft entwickeln.
  • Wir werden es nicht erlauben, dass Oligarchen, Milliardäre, Finanzhaie oder Industriekonzerne unseren Verein aus dem Profifußball herauskaufen und dann weiter unsere Farben, unseren Namen, unser Wappen benutzen.
  • Ebenso wenig erstrebenswert erscheint uns, dass diese Klientel von Investoren „neue“ Vereine, pardon: Kapitalgesellschaften, gründen, die dann über kurz oder lang Startplätze in der Bundesliga belegen und andere ruhm- und traditionsreiche Vereine mit Millionen von Anhängern in untere Ligen abdrängen.
  • Der hohe Stellenwert der Bundesliga in der bundesdeutschen Gesellschaft hängt in großem Maße damit zusammen, dass es sich immer noch um den sportlichen Wettkampf zwischen Vereinsmannschaften handelt und nicht um den Konkurrenzkampf von Unternehmen der Freizeitindustrie.
  • Fußball ist ein Volkssport und der Stadionbesuch muss für alle Gesellschaftsschichten erschwinglich bleiben. Eine Hochpreis-Liga wird, gerade in Deutschland, den Rückhalt großer Teile der Bevölkerung und ihre gesellschaftliche Akzeptanz verlieren.
  • Eine Streichung der 50+1-Regel würde genau die dramatischen Fehlentwicklungen nach Deutschland importieren, unter denen andere Ligen derzeit leiden:
    1. -eine enorme Schuldenlast der Ligenteilnehmer (weil Kaufpreise darlehensfinanziert und sofort auf den Klub abgewälzt werden)
      -sportliche Langeweile durch permanente Dominanz immer derselben Mannschaften,
      -eine totale Abhängigkeit der Klubs von ihren Eignern (drohende Klubinsolvenz bei Verarmung oder Interesseverlust des Eigentümers)
      -eine an Menschenhandel erinnernde „Nachwuchsarbeit“ (gegen deren Auswüchse gerade UEFA und EU vorgehen wollen)
      -der Verlust des Solidargedankens innerhalb der Liga (Stichwort: zentrale Vermarktung)
      -Gefährdung der Integrität des sportlichen Wettbewerbs durch sportfremde Einflüsse und Interessen (bis hin zum Mehrfachbesitz von Klubs in mehreren Ländern oder Ligen)
  • Eine ligaweite Öffnung für alle möglichen Investoren würde schon mittelfristig nicht etwa das sportliche Leistungsvermögen der Mannschaften, sondern in weit größerem Umfang das Gehaltsniveau von Durchschnittsspielern anheben.
  • Die Interessengemeinschaft „Unsere Kurve“ tritt bundesweit mit Spruchbändern, Unterschriftenlisten und Infomaterial für den Erhalt der 50+1-Regel ein und ruft alle Fanorganisationen und Fanszenen auf, sich den verschiedenen Aktionen anzuschließen und/oder eigene Aktionen durchzuführen. Die organisierte Schalker Fanszene ist dabei – stimmt mit eurer Unterschrift für den Erhalt der 50+1-Regel!

    Die Unterschriftenlisten liegen ab sofort im Fanladen aus.

    Wer vorab im Rahmen seines Fan-Clubs, Freundeskreises etc. Unterschriften sammeln möchte, kann sich den Vordruck auch hier
    herunterladen und die ausgefüllten Listen im Fan-Laden oder zum Spiel am Sonntag am SFCV-Doppeldecker oder am UGE-Infostand abgeben.